Zweimal wurde die Reise wegen Corona verschoben, nun hat es schließlich doch geklappt. Wir sind aufgebrochen nach Großbritannien, genauer nach Südengland. Noch genauer, ganz in den Westen, nach Devon und Cornwall. Dort ist das Klima mild, die Landschaft malerisch und das Meer wild. Die Küsten sind steil und steinig, die Strände einsam und zahlreich. So haben wir's gern.
Der Reisende stößt an Grenzen
Seit dem Brexit ist die Einreise ins Vereinigte Königreich ein Akt, der deutlich machen soll, dass man Europa verlässt. Der Fährhafen von Calais ist zu einer Festung ausgebaut worden. Mehrere Checkpoints sind zu passieren, Pass- und Zollkontrolle wie ehedem, dazu Sicherheitsschleusen, die zu passieren sind. Das Königreich lässt nicht jeden zu sich, Nachdem man uns über Sinn und Zweck unserer Einreise befragt hatte, gewährte man uns aber Zutritt.
Westwärts.
Die weißen Kreideklippen von Dover signalisieren schon von Weitem, dass man sich der Insel nähert. Das Reiseerlebnis per klassischer Fähre ist nach wie vor der schönste Weg, um auf die Insel zu gelangen. Die alternative per Zug durch den Kanaltunnel überlassen wir gerne den Leuten, die wenig Zeit haben. Die Fahrt quer durch den Süden Englands legt man mit dem Wagen in wenigen Stunden zurück. Je weiter man nach Westen kommt, desto schöner und weniger bevölkert wird es. Die einzige größere Stadt, die man in der Gegend passiert – Exeter, die Hauptstadt von Devon – hat man schnell hinter sich gelassen; dann wird es endgültig ländlich. Der Westen lebt vom Tourismus und von der Landwirtschaft.
Devon und Cornwall
Von den beiden Grafschaften im Westen ist Cornwall bei uns zweifellos die bekanntere, nicht zuletzt wegen der Romanautorin Rosamunde Pilcher, deren Werk im ZDF bis zur Unkenntlichkeit zerfilmt wurde. Aber abseits solcher klischeehaften Darstellung muss festgestellt werden, dass Cornwall wirklich ein wunderschöner Landstrich ist. Die pittoresken Küsten, die exponierte Lage zwischen den Meeren, die nahezu mediterrane Pflanzenwelt und die hochentwickelte Gartenkultur sind legendär.
Aber noch eindrucksvoller ist nach übereinstimmender Meinung von Kennern der Norden von Devon. Dessen Küstenlandschaft mit seinen himmelhohen Klippen, den knallbunten Felswänden und den endlosen Sandstränden befriedigen nicht nur alle denkbaren Sehnsüchte, sie geben auch wundervolle Fotomotive ab.
Die schönsten Plätze an der Küste
Im Nordwesten von Devon, dort wo der Atlantische Ozean in den Bristol-Kanal übergeht, liegt einer der magischen Flecken dieser rauen Küstenlandschaft: Hartland Quay. Der Name Quay ist heute nicht mehr zutreffend, aber tatsächlich existierte seit der Zeit Heinrichs des VIII (der mit den sechs Frauen) eine Hafenanlage an der Stelle; ein mächtiger Sturm im Jahr 1887 setzte dem Bauwerk jedoch ein ruhmloses Ende, alles versank im tosenden Meer.
Die Landschaft darum herum ist dramatisch, umsäumt von hohen schwarzen Klippen, schroffen Zacken und scharfkantigen Sägezähnen aus Schiefer an den Stränden, sogenannten Ledges. Diese Leisten sind für die Küste im Norden signifikant, sie bestehen aus schwarzen Schieferplatten, die im Laufe der Erdgeschichte senkrecht gestellt und seither von der Brandung stetig nachgeschärft wurden. Kein empfehlenswerter Badestrand, aber ein bemerkenswerter Anblick.
Steine, die Geschichten erzählen
Einige Meilen südlich von Hartland zeigt die Küste Devons weitere Variationen origineller Strandgestaltung. Auf einer abenteuerlichen schmalen Piste zwischen üppiger Vegetation erreicht man den Strand von Welcombe Mouth. Hier mündet ein kleiner Bach in Gestalt eines hübschen Wasserfalls. Der Strand ist übersät von sogenannten Pebbles, also rundgeschliffenen Kieseln, die in der Meeresbrandung klackern.
Der Strand von Sandymouth noch etwas südlicher präsentiert ein Panoptikum an farbenfrohen Gesteinsformationen. Die Faltungen der zutage tretenden Felswände sind spektakulär, ihre Farben geradezu unglaublich. Da steckt eine Menge drin
Der mineralische Reichtum der Region wurde schon im Altertum entdeckt und hatte bis weit ins 19. Jahrhundert große Bedeutung für den Zinn- und Kupferbergbau. Der lohnt heute nicht mehr, aber die Überreste der „tin mines“ mit ihren konischen Kaminen sind noch überall in der Gegend zu sehen.
Noch weiter im Süden, ganz nahe am „Land*s End“ befindet sich ein landschaftliches Kleinod, das sich gut versteckt. Wer den Strand von Porth Nanven erreicht, muss mutig über mannsgroße Kiesel steigen, um in den Genuss spektakulärer Panoramen zu kommen. Es lohnt sich, denn hier bilden Gesteinsküste und Meer eine faszinierende Liaison, die man gerne ins Bild setzt.
Diese Logenplätze an der Küste haben zudem den Vorteil, dass sie niemals überlaufen sind, da sie reichlich Platz bieten oder etwas versteckt liegen. Gedränge gibt es eher an Plätzen wie Land*s End (ein Rummelplatz) oder Widemouth Bay (ein Bade- und Surfparadies), klassische Touristenziele in Cornwall.
Im Landesinneren: Dartmoor
Im Herzen Devons findet der Reisende ein eindrucksvolles Kontrastprogramm zur wilden Küstenlandschaft. Dartmoor ist ein Granitmassiv, das aus der flachen Umgebung bis 600 Meter hoch herausragt und einen dramatischen Kontrapunkt zur lieblichen Hecken- und Hügellandschaft der Grafschaft setzt. Moor und Heide bedecken weite Teile des Massivs. Bei schlechtem Wetter wirkt die Gegend abweisend und unheimlich, aber auch faszinierend. Nahezu menschenleer, diente Dartmoor unter anderem als Standort für ein berüchtigtes Gefängnis, das heute als Museum ein wesentlicher touristischer Faktor der nahe gelegenen Kleinstadt Princetown ist.
Aber es gibt auch lieblichere Flecken im Dartmoor Nationalpark, unter anderem das Gebiet von Emsworthy Mire, wo im Frühling hundertrausende von Bluebells die Hänge bedecken.
Interessanterweise sind in Dartmoor – trotz oder gerade wegen seiner dünnen Besiedlung die ältesten menschlichen Spuren von ganz England nachgewiesen worden. Bereits seit der Altsteinzeit haben hier Menschen gelebt und Kulturdenkmäler wie Steinkreise oder Menhire hinterlassen.
Aber auch Dartmoor ist gefährdet: Die großen Moorflächen sind wertvolle Wasserspeicher, die mittlerweile von vielen Städten und Gemeinden im Umland genutzt werden. Umweltschützer befürchten, dass zu viel des kostbaren Wassers dadurch verloren geht. Auch Bodenschätze locken Landräuber an, In der Nähe soll Kaolin abgebaut werden. Dagegen wird von einer wachen Naturschutzorganisation aktiv gearbeitet. Immer mehr Briten verschreiben sich dem Naturschutz, der König ist da ein populäres Vorbild.
Reisen im Vereinigten Königreich
Der Brexit hat zwar dazu geführt, dass die Einreise einem kleinen Hindernislauf ähnelt, aber auf der Insel selbst merkt man davon nichts mehr. Kontinentaleuropäer sind nach wie vor willkommen, das Preisniveau ist allerdings etwas höher als in Mitteleuropa. An vielen interessanten Standorten sorgt der National Trust – eine gemeinnützige Organisation für Denkmalpflege und Naturschutz – für saftige Eintrittspreise oder Parkgebühren. Aber er sogt auch dafür, dass die von ihm betreuten Objekte nicht verkauft oder zerstört werden. Heute besitzt der National Trust mit etwa 2550 km² Grundbesitz 1,5 Prozent des Landes, sowie über 1193 km Küstenlinie. Dies sind etwa zehn Prozent der gesamten englischen Küste.
So gesehen ist die Insel in guten Händen und wird auch in den kommenden Jahren ein attraktives Reiseland bleiben. Gut so.